Aria Live Regions gehören zu den spannenderen Attributen bei Wai-Aria und haben – trotz der noch schlechten Unterstützung durch Screenreader – für einiges an Aufsehen gesorgt. Das Aria Best Practices Dokument ist ein guter Einstieg in Liveregions. Neben dem Attribut aria-live können die Attribute aria-busy, aria-relevant und aria-atomic das Vorleseverhalten im Screenreader beeinflußen. Bei Liveregions muß immer bedacht werden, daß ein ständig oder zu viel plappernder Text nervt und den User eher bei der Erfüllung seiner Aufgaben stört als weiterhilft. Dieses Problem wird allerdings vom oben genannten Best Practice Dokument mehr als ausgiebig beschrieben, so daß selten Fehlimplementierungen zu finden sind.
Wann Liveregions überhaupt Sinn machen?
Das grundsätzliche Mißverständnis von Liveregions liegt darin, daß viele Entwickler Liveregions als generelle Antwort auf das Problem von dynamischen Änderungen des Contents sehen. Sie also meinen, das ein HTML-Bereich immer als Liveregion ausgezeichnet werden sollte, wenn sich der Content, zum Beispiel aufgrund einer Ajax-Response, dynamisch ändert.
Hierbei wird allzu gerne folgender Text des Best Practices Dokuments überlesen/mißverstanden:
Live regions enable assistive technologies, such as screen readers, to be informed of updates without losing the users’ place in the content.
Damit hört sich das Feature “Liveregion” ziemlich cool an (und ist es auch). Man kann nämlich ohne den Fokus des Users ändern zu müßen, Informationen vorlesen laßen: Zum Beispiel kann ein Warenkorb darüber informieren, daß das Produkt nun erfolgreich im Warenkorb abgelegt wurde, ohne daß der User wegbewegt wird, er also weiterhin innerhalb des Produktskatalogs surfen kann. Er kann über neu eingegangene Chat-Nachrichten informiert werden, ohne daß er bei seiner eigenen Eingabe einer Nachricht gestört wird. Oder der User kann mit Hilfe der Rolle alert, welche implizit eine Liveregion ist, auf Fehler innerhalb eines Formularprozeßes aufmerksam gemacht werden, ohne ihn am weiteren Ausfüllen anderer Formularfelder zu behindern.
Leider wird die Kehrseite hieraus nicht deutlich gemacht und es kommt dadurch zur Fehlimplementierung. Diese Kehrseite könnte beispielsweise wie folgt lauten:
Liveregions ermöglichen es assistiven Technologien über geänderte Inhalte informiert zu werden, ohne daß der User mit diesen Inhalten – zumindest sofort – interagieren kann/soll/muß.
Ist der Text etwas länger, stärker strukturiert oder bietet gar Eingabemöglichkeiten wie Links, Formulare oder andere Eingabewidgets, möchte der User diesen Text nicht dumpf vorgelesen bekommen, er möchte mit diesem interagieren. Hierzu muß er jedoch den aktuellen Bereich verlaßen und zum neu geänderten Content gebracht werden. Dies ist eine Aufgabe, die von Screenreadern in Kombination mit Liveregions (noch) nicht erfüllt wird (eine gewisse Ausnahme stellt hier der Screenreader Orca dar, welcher auf Wunsch des Users auch zu einer Liveregion springt), von der Aria-Spezifikation nicht gefordert wird (obwohl es Sinn machen würde), aber letztendlich auch gar nicht erfüllt werden muß.
Für diese Art von Content-Änderung benötigt man nämlich kein Aria. Die Lösung ist kinderleicht zu impelentieren und funktioniert auch in vielen nicht Aria-fähigen Screenreader-Browser-Kombinationen. Die Lösung heißt focus.
Wenn wir beispielsweise folgendes geändertes HTML haben…
<div id="live-content"> <h2 tabindex="-1">Überschrift von neuem Content</h2> <!-- weiterer Inhalt --> </div>
können wir mit folgender Funktion …
function setFocus(elem){ setTimeout(function(){ try { elem.focus(); } catch(e){} }, 0); }
den Fokus auf folgende Weise…
setFocus(document.getElementById('live-content').getElementsByTagName('h2')[0]);
ganz einfach verschieben, so daß die Überschrift des neuen Contents vorgelesen und der User mit dem neuen Content interagieren kann. Das uncolle an dieser einfachen Art für Zugänglichkeit zu sorgen, ist einzig und alleine, daß wir im Prinzip praktisch keine neue Technik einsetzen und es potentiell die Möglichkeit gibt, daß es auch in “älteren” Screenreadern funktionieren könnte.
Wer dies in möglichst vielen Screenreadern zum Laufen bringen möchte, sollte sich den großen Screenreader Fokus Test durchlesen.